Mittwoch, 15. Februar 2006

Paralleluniversum

Es gab angeblich ja Pläne der Alliierten, Deutschland nicht nach Ost-West, sondern nach Nord-Süd zu teilen. Ich persönlich glaube ja, das das besser funktioniert hätte als die Ost-West-Trennung -- die hätten sich nie wiedervereinigen wollen, da bin ich mir vollkommen sicher, wenn ich den Norddeutschen hier in Süddeutschland zuhöre. Da gibt es richtige Kulturschock und Verständigungsschwierigkeiten.

Jetzt versuche man sich mal die DDR nicht in Ost- sondern in Süddeutschland vorzustellen. Die Stasi kann sich in Schwaben vor IMs nicht retten, die alles verwerfliche über die Nachbarschaft berichteten, und die NVA rückt bei massiven Kehrwochenverstößen ein. Die Räterepublik in Bayern ist ein Staatsmythos. Um das Saarland, das natürlich zu Frankreich gewollt hat, gibt es militärische Auseinandersetzungen, fast löst dies den dritten Weltkrieg aus. "Saupreiß, imperialistischer" ist ein übliches Schimpfwort für den Norddeutschen. Am Main (Grenzlinie!) wird scharf geschossen, und Franz Josef Strauß befürwortet dies in flammenden Reden im ZK.

Oder die DDR in Norddeutschland. Tausende ertrinken bei Fluchversuchen im Ärmelkanal; immer wieder dringen per Flaschenpost Berichte ins Ausland durch. Die Kieler Matrosen sind ein Staatsmythos, die Werftarbeiter Helden. Die Überwachung jedes einzelnen wird kühl und effizient vorangetrieben und abgewickelt. Große Teile der Bevölkerung (Nordsee, Sachsen) haben keinerlei Zugang zu irgendwelchen ausländischen Fernsehsendungen und interessieren sich auch nicht dafür. Berlin ist das letzte Provinznest, da es in keinster Weise subventioniert wird. In Hamburg wird die subversive Zeitschrift "der Spiegel" durchsucht, was im Süden einen Skandal auslöst und im Norden für Unruhen sorgt, die Helmut Schmidt blutig und elegant zugleich niederschlägt.

Schon lustig. In jedem Falle wäre Frankfurt die Frontstadt gewesen. Und das hätte den Frankfurtern gefallen, denn da fühlt man sich erst so richtig als Großstadt. Und der Hibbdebach-Dribbdebach-Konflikt wäre so richtig schön akut geworden. Genauso wie der Frankfurt-Offenbach-Konflikt. Herrlich.

Siebziger-Jahre-Wiedergänger

Der Vaihinger Campus der Uni Stuttgart irritiert mich maßlos. Das ganze Ding sieht so gelungen nach den 70er Jahren aus, das man beinahe ein Zeitloch oder eine Kausalitätsschleife vermuten könnte. Es gibt Gebäudeklätze aus Sichtbeton, die außen in zarten Pastellfarben notdürftig gestrichen sind. Es gibt Innenausstattung in brüllenden Komplementärfarben. Und überhaupt ist das ganze Gelände dermaßen hässlich, dass man fast übersehen kann, wie hübsch die Landschaft drumherum ist. vor allem gibt es aber auch die richtigen Parolen: "Krishna forever", "Kapitalismus abschaffen" und, ganz groß, "Tötet Beamte". Das letzteres an einem Ort, wo es durchaus Beamte gibt, stehenbleibt, spricht für mich dafür, dass das Ganze in der Tat musealen Charakter hat.

Das macht ja auch Sinn. War schließlich eine große Zeit für die deutsche Universität. Und jetzt, wo all das erreichte in Verruf kommt, schadet es vielleicht gar nicht, es auszustellen.

Nur Erklärungstafeln wären hübsch. Sonst weiß doch gar niemand, was mit "Kapitalismus abschaffen" gemeint sein könnte...

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